Bernhard Oestreich
Die Taufe als
Symbol für das eschatologische Gericht
Veröffentlicht
in:
Die Taufe: Theologie und Praxis. Hg. Roberto Badenas. Studien zur adventistischen
Ekklesiologie, Band 3. Hamburg, Advent-Verlag, 2002. Seite 31-55.
1. Problemstellung
1.1 Die Taufe Jesu muß im Licht der Johannestaufe verstanden werden
Die neutestamentlichen Texte bezeugen einhellig, dass sich Jesus
von Johannes taufen ließ. Dieses Ereignis im Leben Jesu muss von großer
Bedeutung für ihn gewesen sein. Nur so ist zu erklären, dass Johannes der
Täufer einen so gewichtigen Platz in allen vier Evangelien einnimmt. Und nur so
ist zu verstehen, dass Jesus auch noch nach dem Ende der Wirksamkeit des
Täufers so häufig und so positiv von ihm spricht, obwohl doch die spätere
Gemeinde eher ein gespanntes Verhältnis zu den Anhängern des Täufers hatte.
Seine Berührung mit dem Täufer ist also für Jesus nicht eine Episode am Rand
seines Lebens und Wirkens gewesen. Vielmehr müssen wir annehmen, dass Jesus
seine öffentliche Wirksamkeit damit begann, dass er sich von Johannes taufen
ließ, wie es ja auch die Evangelien übereinstimmend darstellen.
Daraus ergeben sich Konsequenzen für das Verständnis der
Taufe Jesu. Wenn sie ein erster öffentlicher Akt war und bereits in seine
Wirksamkeit hineingehört, müssen wir annehmen, dass ihr nicht nur für Jesus
selbst Bedeutung zukommt, sondern auch für die, denen Jesu öffentliche
Wirksamkeit galt. Dem Täufer selbst, seinen Anhängern, von denen nach Johannes
1,35-42 einige Jesu Jünger wurden, ja allen Menschen damals, die erlebten oder
davon hörten, dass sich Jesus taufen ließ, wird dieses Ereignis etwas gesagt
haben. Dabei werden sie die Taufe Jesu entsprechend ihrem Verständnis der Taufe
des Johannes gedeutet haben.
Jesus hätte sich zwar taufen lassen und diesem Geschehen für
sich eine Deutung geben können, die nicht dem entsprach, was seine Mittäuflinge
mit diesem Akt verbanden. Aber damit wäre sein Tun für seine Zeitgenossen
unverständlich gewesen, es sei denn, er hätte es ausdrücklich erklärt. Es
findet sich jedoch keine Stelle, wo er über das Geschehen bei seiner Taufe so
spricht, dass er von der allgemein vorausgesetzten
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Deutung der Johannestaufe abweicht.
Offenbar hat Jesus bei der Deutung seiner eigenen Taufe das Verständnis
zugrunde gelegt, das auch alle anderen Täuflinge von ihrer Taufe hatten.
1.2 Die Taufe der Urgemeinde muss von der Taufe Jesu hergeleitet werden
Wir müssen noch
einen Schritt weitergehen. Nicht nur für Jesus selbst war seine Taufe ein
wichtiges Ereignis. Auch seine Nachfolger haben sie für so bedeutsam gehalten,
dass sie nicht nur in den Evangelien davon berichten, sondern auch selbst
getauft haben. Und zwar hat die Urgemeinde von Anfang an die Neubekehrten
getauft. Es ist nicht anzunehmen, dass sie für diese Handlung eine Praxis aus
der Bewegung Johannes des Täufers übernahm, ohne dass diese von Jesus
vermittelt war. Zwar gibt Jesus den Auftrag zu taufen, von einer eigenen
Tauftätigkeit Jesu ist allerdings in den Evangelien kaum die Rede, die Angaben
in Johannes 3,22.26 und 4,1 werden in Johannes 4,2 relativiert.
In jedem Fall ist die Taufe der Urgemeinde nicht zu denken ohne die Tatsache,
dass Jesus von Johannes getauft worden war.
Wenn die Taufe
Jesu eine wichtige Begründung für die Tauftätigkeit der Urgemeinde war, dann muss
ein inhaltlicher Zusammenhang bestehen zwischen der Taufe der zu Jesus
Bekehrten und der Taufe ihres Meisters.
Die christliche Gemeinde muss die Taufe Jesu in einer Weise verstanden haben,
dass sie zum Vorbild werden konnte für die christliche Taufe.
Bei der Frage
nach der Bedeutung der Taufe müssen also zwei Zusammenhänge beachtet werden.
Wir müssen erstens davon ausgehen, dass sich Jesu Taufe in den Rahmen der
Täuferbewegung einordnet, dass sie also für ihn zwar einen weiter reichen-
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den,
aber keinen völlig anderen Sinn haben kann als für die übrigen Täuflinge des
Johannes. Wir müssen zweitens annehmen, dass die Bedeutung der Taufe in der
Urgemeinde mit der Taufe Jesu in einem Zusammenhang steht.
Auch der urchristliche Täufling erkannte in Jesu Taufe einen Sinn, der mit dem
Sinn seiner eigenen Taufe korrespondierte, auch wenn der Gläubige wusste, dass er
in vielerlei Hinsicht hinter seinem Meister zurückbleibt.
1.3 Das Problem des
Zusammenhangs der Taufe des Johannes,
der Taufe Jesu und der Taufe der Urgemeinde
Dieser
zweifache Zusammenhang der Taufe des Johannes mit der Taufe Jesu einerseits und
der Taufe Jesu mit der Taufe der Urgemeinde andererseits wirft zwei bis heute
umstrittene Fragen auf. Erstens ist es die alte Frage, wie sich Jesus als
Sündloser einer Taufe unterziehen konnte, die als Taufe der Buße zur Vergebung
der Sünden bezeichnet wird. Der Sinn der Taufe des Johannes und die Bedeutung
der Taufe Jesu scheinen nicht zusammenzupassen. Zweitens ist es die Frage, wie
sich der folgende doppelte Sachverhalt verstehen läßt: Einerseits hat die
Urgemeinde mit einer Taufe getauft hat, die der des Johannes sehr ähnlich ist,
obwohl sie sich doch gegen die Bewegung des Täufers abgegrenzt hat.
Andererseits hat sie ihre Taufe mit dem Namen Jesu verbunden, obwohl es
scheint, dass die Taufe für Jesus einen Sinn hatte, der für seine menschlichen
Nachfolger nicht zutrifft.
1.3.1 Taufe des Johannes und Taufe Jesu
In Markus 1,4
wird die Taufe des Johannes als „Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden“ (ba,ptisma metanoi,aj eivj a;fesin a`martiw/n)
bezeichnet. Viele Ausleger verstehen diese Charakterisierung der Taufe so, dass
sie das Heilsmittel ist, das die Vergebung der Sünden gewährt.
Diese Deutung der Taufe passt nicht auf Jesus. Er hatte Vergebung der Sünden
nicht nötig.
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Damit aber
zerreißt der Zusammenhang zwischen der Johannestaufe und der Taufe Jesu. So
kann K. Aland sagen: „Das Herabsteigen des Heiligen Geistes auf Jesus ... hebt
die Taufe Jesu durch Johannes aus der Kategorie der eschatologischen Bußtaufe
zur Vergebung der Sünden, wie sie damals zahlreiche empfingen, heraus.“
Es ergibt sich
die missliche Situation, dass man annehmen muss, Jesus hätte sich von Johannes
taufen lassen, ohne mit ihm über den Sinn dieses Geschehens einig zu sein.
Jesu Taufe wäre dann nicht ein zeichenhaftes Handeln, das ja auf Verständnis
zielt, vielmehr ohne Chance, von den Menschen verstanden zu werden.
Ähnlich ist das
Bild, wenn wir danach fragen, wie die Taufe Jesu gedeutet wird. Stuhlmacher
sieht „in der Taufe Jesu durch Johannes das Geschehnis der Bevollmächtigung
Jesu zum öffentlichen messianischen Zeugendienst.“
J. Jeremias deutet die Taufe als das Berufungserlebnis Jesu, die Übergabe der
Vollmacht. Nach L.
Goppelt „erfolgte in der Taufe eine bestätigende Berufung zum messianischen
Wirken.“ Damit hat
aber die Taufe Jesu nichts mit dem zu tun, was sie für seine Mittäuflinge
bedeutete. Zwar schreibt Goppelt auch: „Er [Jesus] stellt sich hier und
weiterhin unter die zur Umkehr Gerufenen.“
Jedoch bedeutet die Nähe Jesu zu den Sündern nie, dass er den Abstand
verwischt, den der Sündlose von den Sündern hat. Auch wäre dieser Sinn den
Menschen nicht erkennbar gewesen.
Nach einer
anderen Deutung ist Jesu Taufe nicht zuerst ein Geschehen, in dem ihm etwas
widerfuhr, sondern durch das er etwas tat: Er begann sein messianisches Wirken,
sagte Ja zu seinem Auftrag.
Diese Deutung löst Jesu Taufe ebenfalls von der seiner Zeitgenossen. Sie lässt
auch unerklärt, welche Rolle der Täufer spielt.
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Ein Versuch,
die Taufe Jesu im Sinn der Taufe des Johannes zu verstehen und damit das
angesprochene Problem zu lösen, ist die Erklärung, Jesus sei vor seiner Taufe
ein Mensch wie alle anderen gewesen und mit dem gleichen Begehren der
Sündenvergebung zur Taufe des Johannes gekommen, hätte aber dann in der Taufe
seine Adoption zum Messias und Gottessohn erfahren.
Diese Deutung widerspricht dem neutestamentlichen Zeugnis über Jesus als dem
fleischgewordenen Gottessohn, der er schon vor seiner Taufe ist.
1.3.2 Taufe Jesu und Taufe der Urgemeinde
Als Konsequenz
der Deutung der Taufe Jesu als Berufung zum Messias oder Beginn messianischen
Wirkens wird ein Zusammenhang zwischen der Taufe Jesu und der christlichen
Taufe abgelehnt. „While ... baptism and church are conjoined in the baptism of
Jesus and in ours, it is unfitting in this respect to speak of our Lord’s
baptism as the ideal Christian baptism, for the realities they represent are so
different.“ Jesu Taufe „cannot be viewed as the pattern of Christian baptism. A
messianic acknowledgement of the Son by the Father is not the same as the
adoption of a sinner by the Father."
„Die Taufe Jesu
ist aber weder als Sinnbild seines Todes und seiner Auferstehung noch als
Vorbild der christlichen Taufe zu verstehen. Denn sie ist darin einzigartiges
Geschehen, dass Jesus den Auftakt seines messianischen Wirkens ... in der
Freiwilligkeit seines Gehorsams vornahm ..."
Dann muss die
christliche Taufe als eine Fortführung der Johannestaufe unter christlichem
Vorzeichen verstanden werden.
Das wiederum
wird von anderen bestritten. Aland verweist darauf, dass die christliche Taufe
nicht mehr eschatologische Bußtaufe ist, weil sie zu Pfingsten mit der
Geistgabe diese Vorstufe hinter sich gelassen hat. Sein Fazit: „Die Taufe,
welche die frühe Gemeinde übt, geht direkt auf das Vorbild der Taufe Jesu
zurück.“ Kraft schreibt: „Die urchristliche Taufe
knüpte nicht an die Johannestaufe und vollends nicht an einen anderen jüdischen
oder hellenistischen Ritus an, sondern bezog sich auf die Erfül-
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lung
der Joel-Weissagung im Pfingstereignis und hatte in der Prophetentaufe Jesu ihr
Vorbild.“ Allerdings
bleibt unklar, wie der Übergang von der Bußtaufe zur Taufe als Geistgabe zu
denken ist. Diese Deutung löst die Taufe Jesu und der Urgemeinde völlig aus dem
Bedeutungsrahmen der Johannestaufe.
1.3.3 Taufe als Initiationsritus?
Eine Deutung
der Taufe, die sowohl die Johannestaufe als auch Jesu Taufe und die christliche
Taufe umgreift, scheint sich darin anzubieten, dass es sich in jedem Fall um
einen Initiationsritus handelt.
Demnach rief Johannes das ganze Volk dazu auf, in das eschatologische
Gottesvolk einzutreten, um so dem kommenden Gericht zu entgehen.
Jesus folgte diesem Ruf und trat in die von Johannes begründete Gemeinde ein,
freilich ohne eine Buße nötig zu haben. Und auch die Urgemeinde verstand sich
als eschatologisches Gottesvolk und nahm Neubekehrte durch die Taufe in ihre
Reihen auf.
Gegen einen
Initiationsritus bei Johannes wird eingewandt, dass der Täufer sich an das
ganze Volk wandte, keine exklusive Gruppe, wie sie etwa in Qumran bestand,
sammelte und kein Noviziat kennt.
Auch ist die Proselytentaufe keine Parallele der Taufe des Johannes oder der
christlichen Taufe.
Aber selbst wenn man die Johannestaufe als einen Initiationsritus versteht, der
zwar nicht eine exklusive Gemeinschaft, sondern ein für Gottes Erscheinen
vorbereitetes Volk begründete, bleibt die Frage, wieso sich Jesus ihr
unterzogen hat.
Wie die bisherigen Überlegungen gezeigt haben, ist die
fundamentale Differenz der Deutungen eine ganz unbefriedigende Situation. Wie
können die Deutungen zuein-
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ander geführt werden, sodass die
Taufe Jesu auch im Rahmen der Johannestaufe verstehbar ist und zugleich
Grundlage der christlichen Taufe werden konnte?
2. Taufe des Johannes
2.1 Johannes verstand sich als der eschatologische Elia nach Mal 3
2.1.1 Elia wurde als Vorläufer erwartet
In Markus 1,2-3
wird das Wirken Johannes des Täufers durch zwei Zitate eingeführt: „Siehe, ich
sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg bereiten soll.“ „Es ist eine
Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine
Steige eben.“ Das erste Zitat ist – etwas verändert – aus Maleachi 3,1
entnommen. Das zweite wird ausdrücklich auf Jesaja zurückgeführt (Jes 40,3).
Die Kombination der Zitate drückt aus, dass der Täufer als die eschatologische
Vorläufergestalt aus Maleachi 3,1 gedeutet wird, die in Maleachi 3,23-24 als
der Prophet Elia identifiziert wird. Diese Deutung findet sich ausdrücklich
auch in Markus 9,13; Matthäus 11,14 und 17,13.
Die Erwartung
des Elia unmittelbar vor dem eschatologischen Eingreifen Gottes findet sich
auch sonst im Judentum.
Sie wird bestätigt in Markus 9,11-13, wonach die Schriftgelehrten vor der
eschatologischen Auferstehung mit dem Auftritt des Elia rechnen.
2.1.2 Johannes verstand sich als der eschatologische Elia
Stammt die
Deutung des Täufers als der wiedergekommene Elia und Wegbereiter „des Herrn“
von den Christen oder geht sie auf Johannes selbst zurück? Es gibt gute Gründe
dafür anzunehmen, daß sich Johannes selbst so verstanden hat.
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1.
Der Psalm in Lk 1,13-17 ist nicht christlichen Ursprungs, sondern wurde wohl
zunächst im Umkreis des Täufers überliefert. Darin wird Johannes mit Anspielung
auf Maleachi 3,23-24 als vorbereitender Bote Gottes in der Kraft des Elia
verstanden. So haben ihn offenbar die Jünger des Täufers gesehen, die diesen
Psalm tradierten.
2. Die Kleidung
des Johannes, der lederne Gürtel und der Prophetenmantel, wird mit Worten aus 2.
Könige 1,8 und Sacharja 13,4 beschrieben, die an Elia erinnern.
3. Johannes
trat an dem Ort auf, wo nach 2. Könige 2,8 Elia in den Himmel aufgenommen
wurde: auf der Ostseite des Jordans in Peräa (Jo 1,28; 10,40).
Damit gibt er sich als der wiedergekommene Elia zu erkennen.
Dass entgegen
dem Zeugnis der Synoptiker in Johannes 1,21 die Identität des Täufers mit Elia
verneint wird, erklärt sich daraus, dass im Umkreis des Johannesevangeliums und
wohl auch bei den Fragestellern Elia als eine messianische Gestalt verstanden
wurde. Im Neuen Testament findet sich mehrfach eine Abgrenzung von
Täufernachfolgern, die ihren Meister zur messianischen Gestalt machten.
2.1.3 Johannes erfüllt Maleachi 3
Johannes der
Täufer hat entsprechend der Rolle des wiederkehrenden Elia nach Maleachi
3,1-5.19-24 gehandelt.
1. Nach Maleachi
3,1.24 kommt Elia vor dem großen Gerichtstag Jahwes. Er ist damit eine
eschatologische Gestalt, denn kurz nach ihm, „plötzlich“ (Vers 1), als ein „schneller
Zeuge“ (Vers 5), wird das eschatologische Gericht hereinbrechen.
Dem
Maleachitext entspricht auch, was in Sirach 48,10 von dem zurückkehrenden Elia
erwartet wird: „Du (Elia) bist bezeichnet zurechtzuweisen in (künftigen)
Zeiten, um den Zorn zu beschwichtigen, bevor er (zum eschatologischen Gericht)
entbrennt, um das Herz der Väter zu den Söhnen zu wenden und die Stämme Jakobs
wiederherzustellen."
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So hat sich
Johannes in einer eschatologischen Rolle gesehen.
Er verstand sich als der letzte Mahner vor dem großen göttlichen Gericht, das
unmittelbar bevorstand.
Er sprach mit nie gehörter Dringlichkeit: „Die Axt ist den Bäumen bereits an
die Wurzel gelegt.“ (Mt 3,10; Lk 3,9)
2. Das Gericht
ist in Maleachi 3,2-3 in einem Doppelbild dargestellt: Schmelzen von Metall im
Feuer,
Waschen (von Kleidung) in Lauge. Beide Bilder enthalten sowohl Vernichtung
(Schlacke, Schmutz) als auch Reinigung. Dazu kommt das Bild des verbrennenden
Strohs in Maleachi 3,19. Das Gericht trifft Israel selbst, nicht fremde Völker,
und ist ein eschatologischer Tag des Zorns, so in Maleachi und auch sonst in
alttestamentlicher und frühjüdischer Überlieferung.
Entsprechend sprach
Johannes von dem bevorstehenden Gericht für Israel.
Auch er umschreibt das Gericht mit einem Doppelbild, wobei ein Element das
Feuer ist, das andere der Geist.
Dazu treten noch zwei andere alttestamentliche Gerichtsbilder: das Fällen und
Verbrennen von Bäumen (z.B. Jes 10,15-19.33-34; Jer 46,22.23) und im Anschluss
an Maleachi 3,19 das Worfeln von Getreide und Verbrennen der Spreu (z.B.
Ps 1,4; Jes 41,15.16; Jer 15,7).
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Das
Auftreten des Täufers in der Wüste unterstreicht den Gerichtsgedanken. Die
Wüste ist der Ort des Gerichts und zugleich eine Durchgangsstation, ein
Reinigungsweg zum Heil (Hos 2,14-15). Dem entspricht auch die asketische
Lebensweise des Johannes.
3. Elia in Maleachi
3,1 und Sirach 48,10 ist ein Vorläufer. Auch Johannes sah seine Aufgabe darin,
dem Kommenden den Weg zu bereiten. In Markus 1,3 wird neben Maleachi 3,1 auch
Jesaja 40,3 verwendet, um die Aufgabe des Johannes zu beschreiben. Der Täufer
selbst bezeugt seine Rolle mit diesem Text in Joh 1,23. Die Jesaja-Stelle
spielte auch eine wichtige Rolle im Selbstverständnis der Bewohner von Qumran.
Das bedeutet, dass die Wegbereiterrolle für Johannes, der wohl von Qumran gewusst
haben muss, kein ganz neuer Gedanke war. Johannes kündigt den göttlichen
Weltenrichter an und hat sich selbst als dessen Vorbote verstanden.
Nach Maleachi
3,1-2 ist es Jahwe selbst, der kommt. Der Engel des Bundes ist wohl keine
zweite Gestalt, sondern Gott als der, der den Bund schloss. Johannes hat bei
dem Stärkeren (Mk 1,7-8) wohl an den Menschensohn gedacht, der nach Daniel 7
und dem äthiopischen Henochbuch 51,3; 62,2; 69,27.28 die Welt richten wird.
4. In Mal 3,2 wird die Frage
gestellt: „Wer kann den Tag seines Kommens ertragen?“ Die Frage zielt auf die
Rettung im Gericht. Den Weg zu bereiten heißt, das Volk zur Umkehr zu rufen und
dafür zu sorgen, dass nicht das ganze Volk im Gericht umkommt (Vers 24). Das
war auch das Anliegen des Johannes.
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Aufschlussreich
ist, dass der Bußruf des Johannes die Themen aufnimmt, die in Maleachi 3
vorgegeben sind. Da ist zuerst die soziale Gerechtigkeit, die als Zeichen der
Umkehr verlangt wird (Mal 3,5). Davon spricht Johannes nach der Predigt in Lukas
3,10-14. Wie Maleachi nennt Johannes ethische Maßstäbe, die in Gottes Gericht
von Bedeutung sind.
Als zweites
wird von Elia erwartet, dass er das Leben der Familien ordnet.
Johannes hat auf die Ordnungen Gottes für Ehe und Familie hingewiesen, dabei
auch Herodes nicht geschont (Mk 6,17-18) und ist darüber zum Märtyrer geworden.
2.2 Die Taufe des Johannes symbolisiert das Gericht
2.2.1 Besonderheiten der Taufe des Johannes
Um das Volk auf
den kommenden Weltenrichter vorzubereiten, rief Johannes zur Taufe. Welchen
Sinn hat diese Zeichenhandlung? Sie unterscheidet sich vor allem in vier
Punkten von den Waschungen in Qumran und in anderen Taufbewegungen seiner Zeit.
1. Während in
Qumran nur die geheiligten Männer das Tauchbad nehmen durften (1QS 3,4.5; 5,13)
und die Männer des Frevels dem sicheren Untergang geweiht waren, richtete
Johannes den Ruf zu Umkehr und Taufe an alle.
Das entspricht der Unentrinnbarkeit des eschatologischen Gerichts, das er
ankündigte: Niemand kann dem Gericht entkommen.
„Weder die leibliche Abstammung von Abraham und die Zugehörigkeit zum Bund noch
die strenge Einhaltung des Mosegesetzes noch der Tempelkult mit seinen Opfer-
und Sühneeinrichtungen vermag vor dem kommenden Zorngericht zu bewahren.“
2. Die Taufe
des Johannes hat nicht allein eine kultische Reinheit zum Ziel. Nach Maleachi
3,3-4 wird Jahwe selbst die Leviten reinigen, sodass sie danach Opfer in
Gerechtigkeit bringen können. Reinheit und Opfer sind also nicht die Vorausset-
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zung
für die Annahme bei Gott, sondern die Folge des Reinigungsgerichts Gottes.
Johannes predigte vor allem eine Erneuerung des Lebens. Im Gegensatz dazu gab
es in Qumran, bei den Essenern,
bei Bannus in der jüdischen Wüste,
aber auch bei den Pharisäern eine Vielzahl von Waschungen, die die kultische
Reinheit erwirken sollten.
3. Die Taufe
des Johannes ist einmalig. Das entspricht dem eschatologischen Gericht in Maleachi
3, das auch keine Wiederholung kennt. Zwar gab es einen Umkehrruf durch alle
alttestamentlichen Propheten. „Aber bei Johannes ist er als Ruf zur Umkehr in
letzter Stunde in singulärer Weise eschatologisch aktualisiert. Daraus erklärt
sich die Einmaligkeit der Johannestaufe und auch die aus dem Beinamen zu
erschließenden Beteiligung des Johannes am Taufvorgang.“
4. Im
Unterschied zu den weitverbreiteten Praktiken im Umkreis des Johannes forderte
der Täufer keine Selbsttaufe.
Er legte selbst Hand an und tauchte die Menschen in den Jordan. Das besagt die
Passivkonstruktion in Mk 1,5 evbapti,zonto u`p’V
auvtou/. Nur so ist die Bezeichnung „Täufer“ erklärlich, nur so konnte
es zu der Bezeichnung „Taufe des Johannes“ kommen.
Johannes praktizierte auch keine Besprengung.
2.2.2 Johannes symbolisiert das kommende eschatologische Gericht
Die
Besonderheiten der Johannestaufe erklären sich daher, dass er mit seiner Taufe
das kommende eschatologische Gericht symbolisierte.
Das Gericht in
Maleachi 3,2 wird mit zwei Bildern dargestellt: Feuer (des Schmelzers) und
Wasser (Lauge des Wäschers). Bei Johannes (Mt 3,11; Lk 3,16) finden sich die
Elemente Geist (xwr/pneu/ma) und Feuer, dazu das Verb ‚taufen‘
(im Wasser oder Wasserstrom). Dunn hat darauf hingewiesen, daß diese Elemente
nicht unabhängig vonei-
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nander gesehen
werden dürfen. Sie finden
sich im Alten Testament in vielfältiger Verknüpfung.
Aber alle drei Elemente sind verbunden im Gerichtsbild in Jesaja 4,4: „Wenn der
Herr den Unflat der Töchter Zions abwaschen wird und die Blutschuld Jerusalems
wegnehmen durch den Geist, der richten und ein Feuer anzünden wird ...“ Ebenso
in Jesaja 30,27-28: „Siehe des Herrn Name kommt von ferne! Sein Zorn brennt,
und mächtig erhebt er sich, seine Lippen sind voll Grimm und seine Zunge wie
ein verzehrendes Feuer und sein Odem (ruach) ist wie eine Wasserflut, die bis
an den Hals reicht, zu schwingen die Völker mit der Schwinge des Verderbens.“
In Jesaja 30
erscheint neben dem Gericht durch Feuer das Gericht durch den Geist (xwr/pneu/ma)
unter dem Bild des Wassers.
Gottes Gericht hat eine doppelte Wirkung, es kann reinigen oder vernichten. Das
trifft in Mal 3 sowohl für das Feuer als auch für das Wasser bzw. die Lauge zu.
Auch das Gericht durch xwr/pneu/ma kann die Reinigung,
aber auch das Verderben der Gottlosen bringen. Nach Jes 11,1-4 wird der mit dem
Geist (xwr) seines Mundes (vernichtend)
richten, der selbst von Gott mit dem Geist (xwr)
gesalbt ist.
Dieses Gericht
sah Johannes unmittelbar bevorstehend.
Um das vernichtende oder auch reinigende Gericht Gottes zu symbolisieren,
wählte er das alttestamentliche
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Bild vom Wasser
(Lauge bzw. Geist) und setzte es in eine Zeichenhandlung um.
Er führte die Menschen in den Wasserstrom hinein,
und wenn den Täuflingen „die Wasserflut bis zum Hals reichte“ (Jes 30,28),
wurde ihnen deutlich, dass sie dem Gericht verfallen sind.
Es ist nicht uninteressant, dass in Qumran 1QS 4,20-21 das Wasserbild aus Hesekiel
36,25 aufgegriffen wird, das mit dem Stichwort „besprengen“ an die
priesterlichen Reinigungsriten anknüpft,
Johannes mit seiner Taufe knüpft dagegen an das Untergehen im Wasser an, das
stärker den Gerichtsgedanken betont.
Das entspricht der Reinigung nach Maleachi 3,2, die nicht durch Abspülen mit
Wasser (levitische Reinigung), sondern durch die Feuerhitze des
Schmelzprozesses und durch die Ätzlauge der Wäscher geschieht.
Dass seine Taufe das kommende Gericht vorbildet, wird von Johannes selbst
ausgesprochen, wenn er sein Tun mit dem des Kommenden parallelisiert: Ich taufe euch ..., er wird euch taufen ... (Mt 3,11).
Diese richtende
Handlung konnte keiner an sich selber vollziehen.
So erklärt sich, dass Johannes keine Selbsttaufe forderte. Weil diesem Gericht
niemand entrinnen kann, forderte Johannes alle ohne Ausnahme zur Taufe auf.
2.2.3 Taufe bedeutete, sich der Begegnung mit dem Richtergott zu stellen
Der Sinn der
Zeichenhandlung ist, das kommenden Ereignis abzubilden und damit zugleich
herbeizuführen. Durch diese Zeichenhandlung nahm der Täufer symbolisch
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vorweg,
was er ankündigte: das Gericht des Kommenden.
Johannes war sich darüber im Klaren, dass seine Taufe noch nicht das wirkliche
Gericht Gottes war. Er kündigte an, dass der Kommende mit Geist bzw. Wasser und
Feuer taufen, also das eigentliche Gericht heraufführen wird.
Wer sich der
Taufe unterzog, zeigte seine Bereitschaft, dem kommenden Gott und Richter zu
begegnen. Er versuchte nicht, zu fliehen, sondern beugte sich unter das
angesagte Gericht. Die Taufe war das äußere Zeichen der inneren Umkehr
Dieser Sinn findet sich in einer Wendung in Lukas 7,29: „Und alles Volk, das
ihn hörte, und die Zöllner gaben Gott Recht und ließen sich taufen.“ Das heißt,
sie nahmen Gottes Urteil über ihre Sünden an und gingen in das Gericht hinein.
Diese Hinwendung zu Gott ist der Anfang der Buße. Sie ist das Ende der Flucht
vor Gottes Zorn. Die „Frucht der Buße“ ist das neue Leben im Gehorsam gegen
Gottes Ordnungen.
Die Wassertaufe
des Johannes ist nicht so gemeint, als könnte man dadurch dem Geist- bzw. Feuergericht
entgehen. Die Angeredeten in Mt 3,11b (er wird „euch“ taufen) sind die gleichen
wie in Mt 3,11a (ich taufe „euch“). Es werden auch die, die von Johannes
getauft worden waren, das Gericht des Kommenden erleben.
Johannes macht auch keinerlei Zusagen, dass durch seine Taufe das Gericht
abgewen-
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det
wäre.
Vielmehr erhofft er, dass die Buße das kommende Gericht zu einem
Reinigungsgericht werden lässt statt zu einer Vernichtung. Die Wassertaufe ist
also nur insofern Rettung vor dem Gericht, als sie die Chance eröffnet, im
Feuergericht zu bestehen.
In Markus 1,4
wird die Taufe des Johannes eine „Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden“ (ba,ptisma metanoi,aj eivj a;fesin a`martiw/n)
genannt. Die
Täuflinge bekannten ihre Sünden (Mk 1,5), bereiteten sich auf die Begegnung mit
Gott vor (Am 4,12). Das heißt, die Taufe drückt die Buße aus und zielt auf (eivj) Sündenvergebung, damit das kommende
Gericht zum Heil und nicht zur Vernichtung wird. Erlangt wird die
Sündenreinigung nach Maleachi 3,2-3 im Reinigungsfeuer und -wasser Gottes.
Vergebung ist eine „eschatologische“ Gabe.
Sie ist die Verheißung, das künftige Gericht zu bestehen. Wäre sie eine Gabe,
die den Menschen sofort und ohne Blick auf das kommende Gericht gewährt worden
wäre, hätte sich Johannes dem Vorwurf ausgesetzt, der später Jesus traf: „Er
lästert Gott. Wer kann Sünden vergeben als allein Gott.“ (Mk 2,7)
Zur Taufe kamen
nicht nur solche, die das Gericht Gottes (symbolisch) annahmen und ihre
Hoffnung auf die Vergebung setzten (eivj a;fesin
a`martiw/n). Es kamen auch solche, die sich sicher waren, dass sie
unbeschadet durch das Gerichtsfeuer hindurchkommen und im Schmelzprozess als
rein erfunden werden würden: „Als er nun viele Pharisäer und Sadduzäer sah zu
seiner Taufe kommen, sprach er zu ihnen: Ihr
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Schlangenbrut,
wer hat denn euch gewiß gemacht, daß ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet.
Seht zu, bringt rechtschaffene Frucht der Buße! Denkt nur nicht, dass ihr bei
euch sagen könntet: Wir haben Abraham zum Vater.“ (Mt 3,7-9) Die Selbstsicheren
glaubten, ohne eine Lebensänderung auf Grund ihres religiösen Standes oder
ihrer Bundeszugehörigkeit das Gericht bestehen zu können.
Johannes warnt sie vor dieser Sicherheit. Dass er ihnen die Taufe verweigerte,
wird nicht gesagt. Im Gegenteil sagt Johannes zu denen, die er warnt: „Ich
taufe euch ...“ (Mt 3,11)
3. Jesu Taufe
3.1 Jesus bestätigt die eschatologische Zeitdeutung des Täufers
Jesus hat sich
in die Reihe der Taufwilligen gestellt und damit Johannes zugestimmt.
Als Johannes schon gefangen war, hat Jesus mit hoher Anerkennung von ihm
gesprochen (Mt 11,7-15), ja, auf die Frage nach seiner Vollmacht auf die
Johannestaufe hingewiesen (Mk 11,27-30). Einige seiner ersten Jünger hat er von
Johannes übernommen (Jh 1,35-51).
Von Johannes und Jesus werden vielfach gleiche Formulierungen gebraucht.
Die Zustimmung
Jesu zum Täufer bedeutet zunächst, dass er sich der eschatologischen
Zeitdeutung des Johannes angeschlossen hat. Er bestätigte die Identifikation
des Johannes mit Elia (Mk 9,13; Mt 11,14; 17,13). Das wird indirekt dadurch
bekräftigt, dass das gesamte Neue Testament bezeugt, daß die Urgemeinde
Johannes als Vorläufer verstanden hat.
3.2 Jesus versteht seine Taufe als Gericht
Nach Matthäus
3,14 wollte der Täufer Jesus die Taufe verweigern.
Die Begründung ist nicht die Sündlosigkeit Jesu (wie im Nazaräerevangelium 2),
sondern die Erwartung des Täufers an Jesus.
Johannes erwartete entsprechend seiner Verkündigung, dass
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Jesus
mit Geist und Feuer tauft, also als Richter die eschatologische Vernichtung und
Reinigung bringt. Stattdessen begehrte Jesus die Taufe und stellte sich damit
unter das Gericht Gottes.
Damit
entspricht die Taufe Jesu den eschatologischen Aspekten der Johannestaufe. Wie
alle anderen Täuflinge hat sich auch Jesus dem bevorstehenden Gottesgericht zur
Verfügung gestellt. Auch er erwartete den Schmelzprozess der Reinigung und
hoffte, dass er daraus unversehrt hervorgehen wird. Wie Matthäus 3,7 zeigt, war
er nicht der Einzige mit dieser Hoffnung, wenn auch der Einzige, dessen
Hoffnung berechtigt war. Die Pharisäer hielten sich für rein und wegen ihrer
Abstammung von Abraham dem Wasser und Feuer gewachsen (V. 9).
Dass Jesus
seine Taufe als ein Hineingehen in das Gericht verstand, wird dadurch
bestätigt, dass er die Hitze des Gerichts, die auch ihn treffen wird, als eine
Taufe bezeichnet, vor der ihm Angst ist (Mk 10,38.39; Lk 12,49.50). Diese
Aussagen gewinnen erst Sinn, wenn man die Taufe Jesu nicht als eine Berufung
oder Geistbegabung versteht, sondern als den Schritt in ein eschatologisches
Gericht. Die Verbindung von Taufe und Gericht ist in diesen Texten als bekannt
vorausgesetzt, in denen
das Taufwort jeweils einem anderen alttestamentlichen Gerichtsbild parallel
steht: Markus 10,38.39 dem Bild vom Becher, Lukas 12,49-50 dem Bild vom Feuer.
„Hier wird – etwa im Widerspruch zur Erwartung des Täufers – die Spannung in
der Auffassung des Auftrags Jesu sichtbar: nicht er vollzieht zuerst die
Feuertauchung, sondern sie wird an ihm vollzogen.“
Jesus nimmt das Los des Ungehorsamen auf sich. Entsprechend wird der Jünger
gefragt, ob er dem Gericht Gottes standhalten kann, ob er also sein Ja zum
Gericht über ihn durchhalten wird.
Lukas 23,31 greift das Gerichtsbild vom dürren Holz, das verbrannt wird (Mt
3,10; 7,19), noch einmal auf: Jesus als das grüne Holz wird gerichtet,
wievielmehr dann das dürre Holz seiner gottfernen Gegner.
Jesus hat sein eigenes Geschick als einen
Prozess verstanden, der dem Schmelzen und Waschen aus Maleachi 3 entspricht.
Das Gericht Gottes wird nach einer Zeit der Hitze ein erwünschtes Ergebnis
bringen. Dieser auch im Neuen Testament häufige Gedanke der Apokalyptik
findet sich im Bildwort vom ersterbenden Weizenkorn auf Jesus selbst angewandt
(Jo 12,24).
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3.3 Jesus will das reine Opfer bringen
Das Geschehen
bei Jesu Taufe, die Geistgabe und die Himmelsstimme, bestätigt ebenfalls, dass
sich Jesus mit seiner Taufe dem göttlichen Gericht unterstellte. In beidem wird
an Jesaja 42,1 angeknüpft, wodurch der Zusammenhang hergestellt wird zu dem
Gottesknecht, der in das Leiden geführt wird. Gott hat Jesus den Geist gegeben
und ihm seinen Leidensweg bestätigt: Du bist der Knecht, an dem meine Seele
Wohlgefallen hat (Jes 42,1), der geliebte Sohn, den der Vater opfert (Abraham,
Isaak). Daraus erwächst ihm die Vollmacht, seinen Leidensweg zu gehen.
Der
Gottesknecht aus dem Jesajabuch geht aber nicht nur in das Leiden, sondern er
leidet unschuldig für die anderen
(Jes 53,11-12). So hat Jesus mit Jesaja 53 sein Leiden als stellvertreted
gedeutet Auch das
könnte bereits in der Taufe Jesu angedeutet sein. Nach Maleachi 3,3 sollte ein
Ergebnis des (Feuer-)Gerichts über die Leviten sein, dass sie „für Jahwe Opfer
bringen in Gerechtigkeit.“ Dieses Wort wollte Jesus erfüllen, aber nicht so, dass
er das Gericht über die anderen brachte, wie es der Täufer erwartete, sondern
es auf sich selbst nahm. Er wollte das Opfer in Gerechtigkeit darbringen, er
wollte selbst das Opfer sein. So ist seine (Todes-)Taufe ein Erfüllen „aller
Gerechtigkeit“ (Mt 3,15).
4. Taufe der Urgemeinde
4.1 Christliche Taufe knüpft an die Johannestaufe an
Die christliche Taufe knüpft in ihrer Form an die Taufe des
Johannes an: Sie ist keine Selbsttaufe, geschieht einmalig und durch
Untertauchen. Auch sie
ist inhaltlich verbunden mit Umkehr und Sündenvergebung.
Wie Johannes ruft auch Petrus zur Buße und verheißt Vergebung der Sünden, um in
einem kommenden Gericht über „dieses verkehrte Geschlecht“ (Apg 2,40) nicht zu
vergehen. Damit hat
die Urge-
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50
meinde die Zeitdeutung, die Johannes
gab und die Jesus bestätigt hatte, übernommen: es ist eschatologische Zeit.
Die Gemeinde ist das eschatologische Gottesvolk.
Auch der
Gerichtsaspekt ist in der christlichen Taufe wichtig. Dass die Taufe ein
Eintreten in ein Todesgeschick ist, wird von Paulus in Röm 6,3 als bekannt
vorausgesetzt. Der Christ ist „in seinen Tod“ (eivj
to.n qa,naton auvtou/) getauft. Die Präposition eivj gibt ebenso das Ziel an wie bei eivj a;fesin tw/n a`martiw/n (Apg 2,38). „Es wäre damit gesagt,
dass die Taufe das Ziel hat, dass sich in ihr am Getauften das Sterben Christi
vollziehe, dass der Getaufte in der Taufe dem Sterben und Auferstehen Christi
gleich sei."
In 1. Petrus
3,20 wird die Taufe mit Noahs Rettung verglichen. Es ist eine Rettung durchs
Gericht hindurch. Ebenso deutet Paulus in 1. Korinther 10,1ff. die Taufe analog
dem Durchzug Israel durch das Schilfmeer, wieder ein Geschehen, das Gericht und
Rettung zugleich enthält. Taufe hat es also zu tun mit einem sicheren
Hindurchkommen durch Wasser. Das setzt einen Gerichtshintergrund für die Taufe
voraus.
Es findet sich also auch in der christlichen
Gemeinde, was die Johannestaufe kennzeichnete und was Jesus bei seiner Taufe
bestätigte: Der Täufling unterstellt sich dem eschatologischen Gericht, weil er
seinem Gott begegnen will.
4.2 Die Taufe der christlichen Gemeinde beruft sich auf Jesu Heilshandeln
Was ist das
Besondere der christlichen Taufe gegenüber der Johannestaufe? Ist es die
Geistgabe? „Verheißt die Johannestaufe Rettung im bevorstehenden Gericht, so
besagt das, dass die in der Taufe zugesagte Vergebung der Sünden im kommenden
Gericht ratifiziert werden soll. In der christlichen Gemeinde wird der Geist
als avparch, (Röm 8,23) und avrrabw,n (2 Kor 1,22; Eph 1,14) der
kommenden Erlösung verstanden. Er ist Zeichen für das noch Ausstehende und
bürgt für die Wirklichkeit des Kommenden ... Betont die christliche Gemeinde,
dass bei ihrer Taufe der Geist gegeben werde, so meint sie damit nicht, dass
ihre Taufe noch etwas anderes gebe als die Johannestaufe, sondern dass die von
der Johannestaufe angesprochene Vergebung der Sünden hier wirklich gilt.“
Die Wiederaufnahme der Taufe des Johannes in der Urgemeinde ist ausgelöst durch
die Heilsgabe Jesu, die in Kreuz und Auferstehung erfahren wurde.
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51
Der eigentliche
Unterschied zwischen Johannestaufe und christlicher Taufe ist, dass sie auf den
Namen des Herrn Jesus (eivj to. o;noma tou/
kuri,ou VIhsou/) vollzogen wird.
Die Namensformel stellt nicht ein zweites Motiv neben das Motiv der Vergebung,
das in dem Tauchbad des Johannes charakteristisch war, sondern „sie
interpretiert diese Waschung, indem sie sie auf das an Jesu Namen gebundene
Heilsgeschehen bezieht.“ „Die Urgemeinde übernahm also den ganzen Ritus der
Johannestaufe, verstand aber deren Gabe der Sündenvergebung als allein durch
das Heilsgeschehen in Jesu Tod und Auferstehung begründet.“
Der Täufling steht im Gericht nicht mehr in seinem eigenen Namen da, sondern im
Hinblick auf Jesus.
Für ihn ist das Gericht entschieden: Es wird zum Heil führen.
Der Christ aber
stellt sich nicht nur unter ein kommendes Gericht, sondern auch in ein bereits
ergangenes hinein. Der Täufling wird hineingenommen in das Gerichtsfeuer, das
Jesus durchschritten hat, er wird in Jesu Tod getauft (Rö 6). Damit ist er
gewissermaßen bereits durchs Gericht hindurch und kann in einem neuen Leben
wandeln (Rö 6,4). Bei den Christen ist das neue Leben also nicht allein im
Vorblick auf ein kommendes, sondern vor allem im Rückblick auf überwundenes
Gericht motiviert. Der Auftrag des Getauften zur Verkündigung ist der Auftrag
dessen, der aus dem Gericht gerettet wurde (z.B. Ps 32,7; 69,31-37).
5. Ergebnis
Es ist vor
allem die eschatologische Perspektive der Taufe als eine symbolisches Eintreten
und Erleben des kommenden Gerichts Gottes, die es ermöglicht hat, die Taufe des
Johannes, die Taufe Jesu und die christliche Taufe zusammenzusehen, ohne dass
die Unterschiede verwischt wurden. Als Schlüsseltext diente Maleachi 3,1-6, ein
Text, der im Neuen Testament selbst bereits mit dem Wirken des Johannes
verbunden wird.
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